Mit sieben Jahren durfte ich in Nürnberg das Gitarre spielen lernen und laut meiner noch vorhandenen Noten spielte ich nicht zuletzt dank eines älteren Bruders spätestens seit 1970 Lieder von Bob Dylan in der Hoffnung, dass sie ein wenig mehr nach der geliebten Version von Joan Baez klingen würden. In manchen Kleinkunstbühnen und an ganz vielen Lagerfeuern erklangen viele ihrer Lieder in meiner Version.
Einige viele Monate später besuchten wir im Februar 2019 ihre Fare Thee Well Tour – also Ihren Abschied von der Bühne – in der Philharmonie des Münchners Gasteig. Derselbe wurde während unseres Studiums in München am Anfang der achtziger Jahre auf unserem Weg zur Isar gebaut. Am Rosenheimer Platz in Haidhausen (unweit unserer Wohnung am Ostbahnhof über dem Waffen-Krauser) gönnten wir uns in alter Tradition die Pizza „Bella Italia“. Der sympathische Kellner arbeitet erst seit 15 Jahr hier, aber wir tauschten uns über gastronomische Entwicklungen aus und er belohnte uns als „Stammkunden seit 40 Jahren“ mit einem Schnaps aufs Haus, das übrigens zu einer der ersten Pizzerien Deutschlands zählte.
Wir empfanden „unseren“ Gasteig nicht wirklich als Neubau, aber durchaus als funktional, aber in München geht die Diskussion zwischen Neubau und Restaurierung wohl heftig um.
Aber die Künstler sind wichtiger, als das Gebäude und wir hatten das Glück eine neunjährige italienische Gitarristin, als größten Fan ein paar Sitze neben uns erleben zu dürfen. Ihr Aufspringen und temperamentvolles Klatschen über dem Kopf nach jedem Lied freute uns vor allem deshalb, weil die 2700 Besucher sich anscheinend auf die Haarfarbe Grau abgesprochen hatten.
Angeblich wäre Joan Baez nicht mehr so richtig bei Stimme und wir können diese Warnung anhand alter Konzertaufzeichnungen bei Youtube sogar nachvollziehen, aber in München hatten wir offensichtlich das Glück eines beinahe perfekten Auftritts (nur ein paar Textabschnitte gingen verloren, aber von unserem Platz aus, konnten wir ihr die dritte Strophe von Donna Donna leider nicht zurufen „Stop complaining, said the farmer …“).
Im absolut lesenswerten Spiegelinterview von 2018 weist sie selbst darauf hin, dass ihr im Alter von 78 Jahren ihre berühmten Tonhöhen nicht mehr erreichbar seien, aber das führt die Bedeutung ihres Auftritts vom musikalischen Genuss auf die andere Ebene, nämlich die des Respekt vor ihrem Lebenswerk. Das brachten auch die Standing Ovations am Ende ihres Auftritts zum Ausdruck, sie gab noch 8 Zugaben, die vom Publikum begeistert aufgenommen wurden, welches vielleicht nur wenige Stunden vorher auf der Demo anlässlich der Münchener Sicherheitskonferenz waren.
Sie war die erste Folk- und Protestsängering der Musikgeschichte und sie war schon damals für Ihr gutes Gitarrenspiel bekannt. Auch in München fand ich das Instrumentale mindestens so beeindruckend, wie ihren Gesang aber auch die Auswahl Ihres Tourteams war eine Bereicherung des Abends. Ihr Sohn Gabriel Harris war der Perkussionist, als Multiinstrumentalist überzeugte Dirk Powell und die gesangliche Begleitung von Grace Stumberg war eine echte Freude.
Jetzt wünschen wir ihr wie vielen anderen Musikern, dass die Frau, die sowohl mit Bob Dylan, als auch mit Steve Jobs einige Jahr zusammen war, noch ganz viele Abschiedskonzerte gibt, sie ist für mich eine herausragende Musikerin und Frau.
In der Zwischenzeit kann man eine Aufzeichnung des Konzerts bereits bei Youtube anschauen, hier sind die kommenden Tourdaten nachzulesen, der Besuch lohnt sich:
Zum Vergleich ist hier die Aufzeichnung von Arte aus Paris
Und eine wunderbare Doku auf Arte
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