von Alice Niklaus
AI steht für Appenzell Innerrhoden
CH steht für Confoederatio Helvetica
Dienstagmorgen, 15. Januar 2008, 2 Grad über Null, Föhn in den Bergen. Ich stehe im Dorf Haslen und wähle den Wanderweg auf der Karte aus, den ich heute gehen möchte. Der Himmel ist strahlend blau, der Boden gefroren. Ich werde die Sitter, den Fluss, der den Alpstein entwässert, zweimal überqueren. Beim ersten Bauernhof am Weg ergibt sich ein Gespräch mit Bauer Hans, er nennt sich selbst eine Ausnahme unter den hiesigen Bergbauern. Über die Kühe reden wir, worüber denn sonst!
Hans ist mit dem Düngen seiner Weiden beschäftigt. Er hat 24 Kühe, die allerdings im Sommer nur ein paar Wochen
draussen weiden können. Der Grund ist das Fehlen von genügend Grasflächen um sein "Heemet" herum. "Heemet" ist appenzellerisch und heisst "Heimat" und mit "Heimat" ist wiederum das Bauernhaus gemeint. Die Weidefläche ist in zwei Tagen leergefressen und das Gras muss wieder nachwachsen. Um den Heubedarf zu decken, hat Hans Land gepachtet und macht Silofutter. Die hornlosen Kühe sind deshalb Sommer und Winter im Laufstall. Sie können allerdings wählen, ob sie sich lieber im Laufgehege draussen aufhalten. Ich erzähle noch kurz vom Hutangerprojekt im fernen Nürnberger Land. Weder den Namen Hutanger noch Anger hat der Bauer jemals gehört.
Nun führt der Weg zur Sitter hinunter, deren Wasser sich irgendeinmal in den Rhein ergiessen wird. Am anderen Ufer fordert ein vereister Aufstieg kreative Trittfindung. Auf den Bäumen sitzen zahlreiche Fischreiher. Die Weiher unter ihnen sind zugefroren.
Vorbei am Bildstock – die Bevölkerung von AI ist vorwiegend katholisch – steige ich nun 200 m auf. Mit jedem Höhenmeter zeigt sich mehr vom Alpsteingebirge. Nachdem sich herausstellt, dass
das Gasthaus am Leimensteig heute geschlossen ist, esse ich meinen Notvorrat auf und mache mich auf den Rückweg. Beim Bauernhof im Büel ist der Weg zu Ende und der nächste Kuhstall wird erkundet. Der
dazu gehörende Bauer ist namenlos und familienlos. Er zeigt mir seinen nagelneuen Stall und erzählt, dass er momentan nur 12 Kühe und einige Rinder besitzt. Er habe beim Stallbau mitgeholfen und darum keine Zeit für mehr Kühe gehabt. Aber das werde sich wieder ändern. Denn im Gegensatz zu Bauer Hans besitzt Bauer namenlos so viel Land, dass er seine Kühe täglich weiden kann. Der Stall ist ganz einfach 5-Sterne-verdächtig! Hoch, hell, es duftet nach Heu (kein aber, es "stinkt" überhaupt nicht!), es handelt sich um einen Anbinde-Stall. Der Bauer findet, dass die Hörner zur Kuh gehören wie die Klauen und dass beide Extremitäten einen Zusammenhang hätten. Wir schauen den mahlenden Kühen zu, riechen das Heu und spüren den Frieden.
Durch aufgetaute Kuhfladen und durchgetrampelte Erde suche ich einen Weg und fege später im Schnee den Dreck von den Schuhen.
Der Föhn wird bald zusammenbrechen und dann wird es regnen.
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