Die Podiumsdiskussion mit den „Postwachstumspionieren“
War es wirklich ein „Outing,“ wie Hannes Koch in der Taz in seinem Artikel „Outing der Kleinen – Nicht alle Unternehmen wollen expandieren. Manche setzen auf Qualität und Regionalität – auch aus betriebswirtschaftlichen Gründen“ über diese Berliner Wissenschaftskonferenz schreibt:
Alternativen denken. Wirtschaften für Wohlstand und Lebensqualität. Ohne Wachstum – oder mit? (veranstaltet von der IÖW bei der Heinrich Böll Stiftung)
Für mich – und ich vermute auch für einen Großteil handwerklicher Betriebe – ist es ganz normal, dass es eine optimale Betriebsgröße geben könnte. Unter derselben reicht das Geld nicht zum Abzahlen der Kredite und drüber wird es sehr schwer genügend Aufträge zu generieren. „Geoutet“ haben sich bisher meist Homosexuelle, aber seit der Integration schwuler Politiker, interessiert das Outing eigentlich nur noch in der nicht gerade fortschrittlichen Fußballwelt. In der Wirtschaft könnte man das „Outing als Wachstumsverweigerer“ auch abschaffen, wenn es nicht so tief verwurzelt im Unternehmertum wäre. Daran will das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) rütteln:
Die Heinrich Böll Stiftung in Berlin ist ein ziemlich cooler Schuppen: alles angeblich öko, aber kein Stückchen Holz …;
Unternehmen brauchen Wachstum. Oder?Mit der Konferenz „Alternativen denken“ wollen das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und die Heinrich-Böll-Stiftung (HBS) dem „Oder“ nachgehen. Am Beispiel kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), die nicht nur zahlenmäßig den Großteil der Wirtschaft ausmachen, sondern oft genug eher wachstumsneutral aufgestellt sind, leuchten wir alte und neue Wege aus: für ein Wirtschaften, das wesentliche Beiträge für Wohlstand und Lebensqualität leistet und hierfür in die kritische Auseinandersetzung mit „der Wachstumsfrage“ geht.
Aus dieser Perspektive wollen wir mit der Tagung dazu beitragen, unternehmerische wie auch politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse zu verstehen und zu gestalten. Im Zentrum der Veranstaltung stehen zum einen spannende Unternehmensbeispiele aus dem Projekt „Postwachstumspioniere“, zum anderen aber auch die Teilnehmenden selbst. Eine Mischung aus plenaren Diskussionen, Workshops und kreativer Gruppenarbeit gibt viel Raum für Austausch und Interaktion, für gemeinsames Lernen, Entwickeln und Vernetzen.
Projektleiterin Jana Gebauer ist zu schnell fürs Fotografieren!
Und wieder mal eine große Berliner Veranstaltung im Sinne der Nachhaltigkeit, die ob des dreitägigen Zeitbedarfs nicht ganz unaufwändig ist. Und trotzdem hat es sich gelohnt, denn abgesehen vom Wiedersehen alter Weggefährten der Nachhaltigkeit (Prof. Angelika Zahndt hat uns 2002 einen Artikel in ihrem Buch „Zukunftsfähige Unternehmen: Wege zur nachhaltigen Wirtschaftsweise von Unternehmen“ gewidmet; mit Prof. Werner Wild von der Ohm Nürnberg haben wir schon viele gemeinsame Projekte gestemmt; Verena Exner von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt übergab uns 2005 den Mimona Preis; uvm.) hat man viele neue Kontakte knüpfen können und seinen Teil zum Projekt mit der Teilnahme an der Podiumsdiskussion und einem Workshop beitragen können.
Denn was nützt eine Untersuchung zum Thema Postwachstum, wenn die Unternehmer nicht ansprechbar sind? Tragisch war, dass ausgerechnet die wenigen „Großen“, wie die Stromgesellschaft EWS und die Lammsbräu verhindert war, denn so waren wirklich nur wir kleinen Betriebe auf der Bühne, obwohl das Thema Postwachstum eigentlich vor allem auf die Großen wirken soll. Fünf Kleinbetriebe haben die Postwachstumsfahne hoch gehalten oder – wie es die Taz meldete – „sich geoutet!“
Dieser Gedanke des Outen, weil man nicht wachsen will, ist mir fremd, denn ich kenne in unserer ganzen Schreinerinnung oder im ganzen befreundeten Handwerk niemand, der auf unvernünftiges Wachstum setzen wollte oder könnte, denn Gebäude, Mitarbeiter, eigene Kapazität geben die beste Betriebsgröße – nach einer gewissen Wachstumsphase auf dieselbe zu – fast immer vor.
So gesehen war ich auf dem Podium wohl eher ein seltsamer Gast, der die Postwachstumsdiskussion (im Handwerk!) für nicht sehr prickelnd hält, weil fast alle Handwerker wissen, was sie erreichen können und auch was nicht. Was ja nicht ausschließt, dass die Postwachstumsdiskussion an sich einen wertvollen Beitrag für die gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland leisten kann, wenn das Wachstumsmantra endlich vom Sockel gestoßen würde.
Im Workshop am Nachmittag ging es beim schwer greifbaren Thema „Transmission“ um das Einbringen von Unternehmen in die Entwicklung der Gesellschaft. Mein Vortrag endete mit dem Satz:
„1988 haben wir versucht zu erklären, was Massivholzmöbel sind, 1997 warum die aus dem Holz der Region sein müssen, 2001 war es die Entschleunigung via Slow Food und Cittaslow, danach der Wandel von der Ökologischen Betrachtung zur Nachhaltigkeit aber am schwersten wird die Kommunikation wohl, wenn wir erklären müssen, was ein „Postwachstumspionier“ sein soll.“
Und weil das alles nicht leicht ist, hat das IÖW zum Thema Postwachstumspioniere eine liebevoll getextete, gestaltete und gedruckte Broschüre herausgegeben, deren Hintergründe man hier erfahren und sie selbst herunterladen kann.
Bei der abendlichen Podiumsdiskussion mit Politikern und Journalisten kamen noch viele sapnnede Themen zur Sprache und ich habe mich gefreut, Dr. Ute Scheub (nimmermüde Mitgründerin der Taz) mal live zu hören.
Bald wird es auch eine Dokumentation der kompletten Veranstaltung geben, die wir dann hier verlinken werden.
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Der Artikel in der Taz
Beitrag in der Wirtschaftswoche
Beitrag bei Deutsche Welle
Und noch ein Bericht auf www.schwaebische.de
Eine kurze und verständliche Erklärung zur Post- und -Wachstumsideologie von Prof. Werner Wild
Es gibt ein gemeinsames, stets aktuelles Blog zum Thema Postwachstum
Unsere Fotos sind hier zu sehen (zum Download unter cc, namensnennung die-moebelmacher.de).
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