Die Mail von Anja Grothe im Juni
Im Juni schrieb mir Professorin Anja Grothe (Akademische Direktorin für den Studiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, dem Institut für Nachhaltigkeit der HWR-Berlin) diese Mail:
Lieber herwig,
wir kennen uns ja nun schon seit Jahren und ich erfreue mich an eurem Nachhaltigkeitsprogramm. Ich werde im nächsten Jahr die Masterstudiengang Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement – nach 29 Jahren- abgeben und in diesem Jahr die letzte Exkursion durchführen. Ich würde sehr gerne am 5.11. vormittags mit einer Gruppe von 25 Studenten (studieren alle berufsbegleitend) zu einer nachhaltigen Unternehmensbesichtigung kommen. Ginge das? Würde mich sehr freuen, bitte gib mir bald Bescheid.
Herzliche Grüße
Anja
Natürlich gerne, das letzte Mal war sie im Jahr 2008 bei uns und nur ein paar Wochen später habe ich deren Studenten bei der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung zusammen mit der Bundeskanzlerin wieder getroffen (hier im Blogbeitrag).
Einladung an Andrea Pitsch von der Hersbrucker Zeitung im Oktober
Weil wir gerade Kontakt mit der HZ hatten, fragte Andrea Pitsch nebenbei nach geplanten Aktionen und ich lud sie zum Treffen mit den Studentinnen und Studenten ein, bei dem wir auch gemeinsam kochen werden. Leider hatte sie in der Woche Zeitungsdienst und nur ganz am Anfang bei der Führung Zeit dabei zu sein. Deshalb hört sich der Artikel auch ein wenig dramatisch an (wir konnten später gemeinsam alles klären!), aber er enthält auch viele treffende Passagen, weshalb wir ihn am Schluss mit freundlicher Genehmigung anhängt haben. Die Überschrift „Nachhaltig aus dem Bauch heraus“ ist – wenn man meine Figur kennt – irgendwie naheliegend, tatsächlich findet Nachhaltigkeit bei uns aber im Kopf und vor allem mit vieler Hände Arbeit statt.
Der spanische Philosoph Baltasar Gracián sagte darüber vor 350 Jahren: „Man begnüge sich mit dem Tun und überlasse anderen das Reden darüber.“
Ihr müsst erstmal draußen bleiben
Nachdem meine eigene Studentenzeit noch nicht lange her ist und sich beim gemeinsamen Kochen sowieso alle duzen, begannen wir mit der Begrüßung, der Einigung auf das Du und der Kurzvorstellung der Möbelmacher draußen, weil dort auch unser Holz – die Basis des Möbelmachertuns – zu finden ist. Die Studenten waren schon gut vorbereitet (und natürlich alle geimpft und getestet), trotzdem schadet es nicht, von vorne anzufangen.
Bedauerlicherweise nieselte es, weshalb wir Erklärungen im Holzlager verkürzten und uns schnell in die Werkstatt zurückzogen, wo man aufgrund der Lautstärke der Maschinen zwar gerade noch eine Führung, aber keine Diskussion abhalten konnte. Trotzdem war dieser Teil extrem wichtig, weil man nur in der Werkstatt den Unterschied zwischen Einzelanfertigung nach Kundenwünschen und Massenware nachvollziehen kann.
In der Ausstellung begannen gleich alle mit dem Kochen
Eigentlich wollte ich den üppigen Fragenkatalog während des Aperitifs aus Kartoffelchips und Apfelsaft oder Brausewein-Secco abarbeiten, aber die jungen Leute stürzten sich mit Begeisterung aufs Kartoffel- und Karottenschälen, dass wir den Plan änderten. Da musste uns dann Andrea Pitsch von der Hersbrucker Zeitung schon verlassen, weshalb ihr Erlebnis an dieser Stelle endet, das war noch im ersten Drittel des Treffens.
Gemeinsam Kochen ist einfach das beste Kommunikationsmittel
Wandern ist als Motivations- und Kommunkationstechnik nicht schlecht, aber noch viel besser ist das Kochen: Die Gruppe hat sich bisher coronabedingt fast nur am Bildschirm gesehen und so entstand eine Dynamik, die wirklich Freude machte. Denn man kennt ja Kochworkshops, bei denen gerade mal 3 Gäste für den Rest der Frauschaft kochen, aber hier waren alle von der ersten Minute an dabei.
Kartoffel-Karotte mit Weideschwein und/oder Sellerieschnitzel mit veganer, vegetarischer oder feiner Soße
Die Organisatorin der Studentinnenreise fragte bei uns nach, wo man zu Mittag einen kleinen Imbiss nehmen könnte, aber in unserer Nachbarschaft in Kleedorf oder Kühnhofen kann man eigentlich nur richtig gut essen. Also schlug ich vor, dass wir gemeinsam eine Kleinigkeit kochen, was ja meist zu den schönsten Erlebnissen führt.
Lilli war die beste Hilfe
Ich habe unsere Praktikantin, die erst seit zwei Tagen bei uns war, schon im Vorfeld gebeten, bei der Bewirtung von 26 Studentinnen zu helfen und sie hat das so hervorragend erledigt, dass wir alle ganz begeistert waren. Völlig unaufgeregt und souverän sah sie alles, was zu tun war. In unseren Unterlagen halten wir immer fest, dass diese Menschen – sollten sie mal nach einer Lehrstelle fragen – die alles entscheidenden Einträge in ihren Unterlagen haben, denn Lilly hat gefilmt, fotografiert, sich um Getränke für alle gekümmert, nebenbei stets abgeräumt, aber vor allem eine hilfsbereite und so liebevolle Atmosphäre ausgestrahlt, dass mich Studentinnen sogar auf diese ganz besonders umsichtige und sympathische junge Frau angesprochen haben.
Viele engagierte Köchinnen und Köche
Das Schneiden eines ganzen Sacks Zwiebeln wurde von einer autodidaktischen Fachfrau übernommen („das mach ich lieber selber, ich kann da nicht zuschauen“), ein paar Jungs übernahmen das Panieren und Braten der Sellerieschnitzel und Ökotrophologin Andrea übernahm das Abschmecken der Soße, die wir in einer ganz persönlichen veganen, einer vegetarischen und einer mit dem Fleischfond aus drei Kilo schwabhofschen Weideschwein zubereiteten. Obwohl sich 15 von 25 Gästen als Vegetarier anmeldeten, war das Fleisch gleich weg. Fast alle hatten sowohl Fleisch (aus vorbildlicher Haltung), als auch panierte Sellerieschnitzel am Teller, ist doch auch schön. Weil wir mehrfach darum gebeten wurden, ist hier das Rezept der Sauce, die es in drei Varainten gab (vegetarisch, vegan und mit dem Fleischfond) verlinkt.
Die Diskussion zur Nachhaltigkeit
Das muss man sich mal vorstellen: Alle Gäste absolvierten den Masterstudiengang Nachhaltigkeit und ich erzähle, dass mich die standardisierten Prozesse des Nachhaltigkeitsmanagements nur bedingt interessieren. Ich habe selbst eine Ausbildung zum EFQM-Assessor (Europian Foundation for Quality Management) absolviert und hätte damit sogar die Lizenz andere Betriebe im Rahmen der EFQM zu zertifizieren und damit deren Möglichkeiten zum Erhalt des begehrten LUDWIG Erhard Preises zu beeinflussen. Aber seit meiner Ausbildung im Jahr 2003 habe ich die Orientierung nach Preisen deutlich verändert. Ein HEINZ Erhard Preis für eine Betriebsführung mit Spaß an der Arbeit, problemlösenden und humorvollem Umgang mit Fehlern und freudigen Mitarbeitern wäre mir viel wichtiger, als eine Selbstbeweihräucherung nach Punkten.
Dass mich die Prozessorientierung ihrer Ausbildung zwar beeindruckt, dass ich als Handwerker aber kein Gehalt für eine Mitarbeiterin mit dieser Aufgabe erwirtschaften könne und dass das Fixieren von zahlenmäßigen Umsatz- oder sonstigen Zielen nach unserem Gefühl keinen Sinn macht, weil es eh anders kommt, versuchte ich zu vermitteln. Nachhaltigkeit sehen wir als entscheidende Aufgabe, aber die müssen wir mit unserem ganzen Team glaubwürdig lösen, nicht wirklich „aus dem Bauch heraus“, sondern so konsequent, dass die Unterschiede unserer Arbeit im Vergleich mit anderen Betrieben auch von außen zu sehen sind.
Wiederholung: Baltasar Gracián sagte vor 350 Jahren: „Man begnüge sich mit dem Tun und überlasse anderen das Reden darüber.“
Und wieder die Diskussion um Sexismus oder nicht, nicht zuletzt ob des darob verlorenen Nachhaltigkeitspreises der Lammsbräu
Für die Nachhaltigkeitsstudentinnen ist der Nachhaltigkeitspreis der Lammsbräu das Gütesiegel der Nachhaltigkeit an sich und dafür gibt es historisch auch nachvollziehbare Gründe. Wir waren 2020 schon dafür nominiert, weshalb wir das Procedere und die potenziell zu erzielenden Kommunikationsreichweiten ziemlich realistisch einschätzen können; sie sind überschaubar. 2021 wurde uns dieser Preis verweigert, weil wir nicht umstandslos bereit waren, angeblich sexistische Fotos mit unserer Freundin Carola Hofmann zu löschen. Die Fragestellerin bei der Diskussion mit den Studenten in Unterkrumbach war ebenfalls der Auffassung, dass viele Fotos unserer Kommunikation „sexistisch“ seien.
Wir haben unsere Gäste schon im Vorfeld auf just diese Lammsbräu-Nachhaltigkeitsgeschichte aufmerksam gemacht, um uns der Diskussion nach dem Essen dann auch zu stellen.
So habe ich versucht zu erklären, wie unsere Fotos fürs Jahrbuch entstehen:
1. Am liebsten immer mit den Kunden selbst
2. danach mit deren Kindern, Haustieren oder Freunden aus der Nachbarschaft
3. erst dann versuchen wir Termine mit Menschen zu organisieren, die gerade Zeit haben, die Freude an schönen Fotos von sich hätten und die – ganz nebenbei – auch noch erträgliche Honorarforderungen haben.
Aus dieser Anforderungsliste ergibt sich, dass wir oft junge Frauen (praktisch nie Männer) finden, die gerne ein paar Stunden in aufwändig produzierte Fotos investieren. Mit just diesen Fotos begannen oder bereicherten schon einige Damen ihre Modelkarriere, denn immer bieten wir auch an, neben unseren Einrichtungsfotos auch Fotos nach Wunsch für Sedcards (die Visitenkarte von Fotomodellen) oder das Familienalbum zu produzieren. Nachdem wir das jetzt schon seit über 30 Jahren so machen, fragen auch immer wieder deren Kinder nach den Negativen, bzw. den Scans derselben, weil sie in die Präsentationen der runden Geburtstage einfließen sollen.
Warum soll Schönheit nicht nachhaltig sein?
So ernst wir die Kritik der Jury und der Studentinnen nehmen, so sehr fragen wir uns aber, warum Nachhaltigkeit in unserer Einrichtungsbranche nicht auch mit Schönheit, Frechheit und Humor präsentiert werden dürfen? Was die Studentinnen und die Jury als Sexismus bewerteten, ist für uns die ganz persönliche Präsentation einer selbstbewussten Frau, die damit im Jahr 2003 vielleicht eine Vorreiterin des Pop-Feminismus war, der von Lady Gaga, Beyonce oder Shakira gepflegt wird (worüber arte schon einige Beiträge veröffentlichte). Emma Watson (Schauspielerin, UN-Botschafterin und Aktivistin für Frauenrechte) hat das hier sehr treffend so formuliert.
„Es gibt ein großes Missverständnis darüber, was Feminismus eigentlich ist. Feminismus bedeutet, Frauen eine Wahl zu geben. Feminismus ist kein Stock, mit dem man andere Frauen schlägt. Feminismus bedeutet Freiheit, Feminismus bedeutet Befreiung. Es geht um Gleichberechtigung.” (Emma Watson)
Was unsere Kunden zum vermeintlichen Sexismus sagen
In unserem Jahrbuch (Nr. 26) ist seit fast 20 Jahren auch ein Fragebogen integriert, in dem wir in diesem Jahr unseren Kundinnen auch die Frage nach Sexismus stellten und keine einzige und erst recht kein Mann wollte (Stand heute), dass wir Carolas Fotos löschen.
Sehr ausführliche Gedanken machte sich unsere Kundin Elfi Heider, Geschäftsführerin des St. Johannis Friedhofs:
Lieber herwig,
die Begründung der Ablehnung der Jury auf Grundlage der SDGs 5 und 10 (Sustainable Development Goals = Nachhaltigkeitsziele der UN) ist am Ziel (Stärkung der Frauen, hier besonders in der internat. Entwicklungshilfe) vorbeigeschossen, da es in den SDGs um etwas ganz anderes geht als in euren Bildern von Möbeln mit attraktiven Frauen. Der Vorwurf lautet ja auf missbräuchlicher Verwendung der Frau als Objekt in der Werbung oder auf Reduzierung der Frau als Sexualobjekt. Die Netzstümpfe und der kurze, enge Rock implizieren – nach Meinung der Jury – eine unethische Verknüpfung von Möbel und Frau, da sie zu einseitig auf sexuelle Komponenten reduziert würden. Die Pose drückt für mein Empfinden aber vielmehr eine lustvolle Verbindung des Models, zu ihrem Stehpult aus. Nicht mehr (und nicht weniger). Die Netzstrümpfe karikieren diese Lust, ja überspitzen sie. Natürlich wird für eine Werbung eine Frau mit guten Proportionen verwendet (Männermodels sind ja auch nicht schiache Quasimodos), es soll ja nicht komisch aussehen. Ich könnte auch auf diese Art an einem Steh-, Rednerpult stehen – vielleicht ohne die Netzstrümpfe. Ich würde mir dann aber denken: hey, ihr könnt mich alle mal, ich fühl mich stark und energiegeladen, seht her wie gut ich das rüber bringe in meinem Alter.
Die Gradwanderung zwischen Ästhetik und unseriöser Darstellung von Frauen ist ziemlich heikel und hat viele Stolpersteine, da die Menschen ja auch unterschiedliche Wahrnehmung von Sexualität und deren Nuancen haben. Nicht jede(r) ist fähig zu abstrahieren.
Herzliche Grüße
Elfi
Der Gründer des Nachhaltigkeitspreises der Lammsbräu schrieb uns:
Lieber herwig,
ich habe das Jahrbuch durchgelesen und am Ende die Begründung gesehen, warum die Möbelmacher in diesem Jahr den Lammsbräu-Nachhaltigkeitspreis nicht bekommen haben.
Ganz ehrlich gesagt, ich kann die Begründung der Jury nicht nachvollziehen, aber das ist halt so eine Sache, mit einer unabhängigen Jury.
Ich hoffe aber, dass Ihr trotzdem bei Eurem Konzept bleibt und so nachhaltig und erfolgreich Euer Unternehmen weiterentwickelt. Dazu alles Gute!
Herzliche Grüße aus Neumarkt
Dr. Franz Ehrnsperger (ehem. Geschäftsführer der Lammsbräu)
Unser langjährige Begleiter und Kritiker Prof. Ingo Klöcker meinte zum Jahrbuch und Sexismus etwas undiplomatisch:
„Alles ist schön und aus Holz und gut und manchmal auch aus Mensch. Lasst Carolas Beine bitte drin, es ist ein hirnrissiger Schwachsinn, bei Bildern von wunderschönen Geschöpfen von Sexismus zu faseln. „
Einige Gäste sagten mir auch bei persönlichen Gesprächen, dass sie selbst mit den Bildern überhaupt kein Problem hätten.
Anita Grützner (60 J – Führungskraft bei einem großen Motorenbauer) sagte lapidar:
„DAS ist kein Sexismus! Wer – wie ich vor 30 Jahren – als einzige Frau mit ebenbürtiger akademischer Qualifizierung von ihren Kollegen zum Kaffeekochen geschickt wurde, der kann das wirklich beurteilen. Meine Studiengänge habe ich mir davor übrigens mit Modeln und als Bedienung finanziert, also fragt mich, wenn Ihr darüber etwas wollt.“
Einen sehr ausgewogenen Artikel zum Pop-Feminismus findet man hier bei Edition F, aus dem ich hier zitiere:
„Dafür scheint der Begriff Popfeminismus erfunden worden zu sein: Feminismus, von dem man sich nicht ganz sicher ist, ob er welcher ist, was den Begriff im selben Atemzug wieder überflüssig macht. Geht es um reine Symbolik, hinter der keine gedankliche Arbeit steht, ist es irgendwie kein Feminismus. Geht es dagegen um eine Handlung, hinter der eine ehrliche Auseinandersetzung mit sich und den bestehenden Bedingungen steckt, wurde die Entscheidung dazu mit vollem Einverständnis getroffen und schadet man dadurch niemandem (sondern hilft vielleicht sogar), dann ist das circa feministisch. Und vor allem nicht weniger legitim, bloß weil der Hut bunt oder der Rock kurz ist.“
Unseren wichtigsten Beitrag zum Thema Sexismus im Handwerk – wie er anderswo leider immernoch existiert – hat übrigens Praktikantin Lisa Miller in zwei sehr ehrlichen Blogbeiträgen verfasst, die man hier nachlesen kann.
Nachhaltigkeitsthema Nachfolge
Um eine Endlosdiskussion zu vermeiden, leitete die Professorin dann elegant zu anderen Themen der Nachhaltigkeit um, zum Beispiel das für uns wichtige Thema der Nachfolge. Sie erzählt ein Beispiel von einer Stiftungsgründung, die den Fortbestand des Betriebs auch nach dem Aussteigen des Gründers festlegt, allerdings weiß ich aus den Erfahrungen als Stiftungsbeirat, dass man eine Stiftung nur dann gründen sollte – und wirklich NUR dann – wenn irgendwo eine Menge Geld im Hintergrund existiert, denn das ist verdammt aufwändig. Vor allem, wenn mal ein oder zwei Jahre zu wenig Küchen verkauft werden würden, wird es schwierig. Deshalb erwähnte ich auch, dass meine Nachfolgerin oder mein Nachfolger unbedingt Freude am Kochen haben muss, woraufhin die Studenten sofort Andrea auswählten, weil die zusätzlich auch Ökotrophologin ist. Na also, Andrea hat zwar (noch) nicht zugesagt, aber gekocht und organisiert hat sie wirklich ausgezeichnet.
Der Dank
Wir bedanken uns bei allen Gästen für die viele Zeit, die sie schon im Vorfeld mit den Studien der Möbelmacher verbracht haben und sind sehr dankbar für den ehrlichen und kritischen Austausch. Wir hatten wirklich Glück, dass wir ein Zeitfenster hatten, in dem das gemeinsame Kochen für Geimpfte und Getestete möglich war, ein paar Wochen früher und ein paar Tage später wäre das nicht mehr erlaubt gewesen. Wir wünschen allen Teilnehmern einen gelungenen Abschluss des Studiums und ihren Traumjob.
UNTERKRUMBACH (Andrea Pitsch) – Gibt es ein Managementsystem und eine Nachhaltigkeitsstrategie? Verfügen die Möbelmacher über ein ethisches Bankkonto und definieren sie Ziele für Klimaneutralität? Der Fragenkatalog der Masterstudenten der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin ist riesig – und „wahnsinnig prozessorientiert“. Das stellt Möbelmacher-Chef herwig Danzer beim Besuch der 26 jungen Leute rasch fest. „Aber ist ja klar, das sind BWLer, die nun al-le ihren Master in Nachhaltigkeits- und Qualitätsmanagement machen.“ Dennoch erstaunt es ihn, wie wenig die Frauen und Männer übers Handwerk wissen.
Daher schleust er die Besucher, teils mit Klemmbrett unterm Arm, erst einmal durch die Schreinerei. Übrigens nicht die erste Gruppe dieser Art: „Wir haben immer wie-der Studenten da, weil wir uns in Sachen Nachhaltigkeit einen Namen gemacht haben“, erklärt Ute Danzer. Während sie im trockenen und warmen Büro bleibt, bestaunen die Studenten im Nieselregen das Holzlager im Freien, das es laut herwig Danzer seit 1997 gibt. „Das reicht für die nächsten fünf Jahre.“ Jedes Jahr kaufen die Möbel-macher den Verbrauch von 60 bis 100 Kubikmeter nach. „Trotz Holz-knappheit sind wir gut versorgt.“
Das reicht den Studenten noch nicht. Ob die Möbelmacher denn selbst Bäume pflanzen würden als Ausgleich, will einer wissen. „Nein, wir kaufen das Holz von der Forstbetriebsgemeinschaft Nürnberger Land und die macht das dann.“ Denn bei den Waldbauern würden Maschinen und Arbeitskräfte das Geld auffressen, so dass wenig für die Aufforstung übrig bliebe. Bevor Danzer etwas zu den 12 Holzsorten und der Wärmegewinnung durch die Holzreste sagen kann, erkundigt sich ein junger Mann nach dem S-EFQM, dem nachhaltigen Qualitätsmanagementsystem: „Das steht noch auf der Homepage, aber wir haben nichts weiter dazu gefunden.“ Ja, gibt Danzer zu, denn für die Pflege sei keine Zeit und man wolle damit ja auch keinen Preis gewinnen wie andere Unternehmen.
Faszinierende Maschinen
Dass diese Antwort die Lernenden nicht zufriedenstellt, ist zu spüren. Vielleicht braucht es einen Blick in die Werkstatt und die Abläufe dort, damit die Berliner verstehen, wie der Handwerksbetrieb tickt. Drinnen empfängt sie der Duft von frischem Holz. Egal, ob Säge oder Schleifmaschine – die Frauen und Männer zücken die Handys, während Danzer die Arbeitsschritte erläutert und zeigt: hobeln, Nuten reinfräsen, sortieren, verleimen, schleifen, zuschneiden, bauen, ölen.
Inzwischen wissen die Studenten, woher das Holz kommt, wie lange es warum gelagert wird, worauf beim Verarbeiten geachtet wird, und dennoch werden die Augen groß, als sie hören, dass eine Küche rund 40 000 Euro kostet: „Da müssen wir ja für einen Tisch schon zusammenlegen.“Selbst als Danzer ausführt, dass er und seine Leute langlebige Möbel nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kunden anfertigen und es nicht um „das schönste Möbel“ gehe, scheint der Möbelmacher’sche Nachhaltigkeitsansatz noch immer nicht in den Köpfen angekommen.
Kontakt beim Kochen
Stattdessen spuken den Studenten Zahlen im Kopf herum. „Wenn es nach der Bank gehen würde, müssten wir unseren Lagerbestand verkaufen“, verrät Danzer, „aber der ist unser Kapital“. Schon wartet die nächste Frage: „Wo sehen Sie sich in den nächsten fünf Jahren?“ Humorvoll meint Danzer, es wäre schön, wenn es dem Betrieb dann noch gut gehen würde und ein Nachfolger in Sicht wäre. „Auch deshalb machen wir Aktionen wie diese“, sagt er, „vielleicht ergibt sich ja ein Kontakt“.
Während die Gäste weiter ihren Fragenkatalog zu Mitentscheidung der Angestellten, Lieferantensuche, Kriterien und Checklisten abarbeiten, kristallisiert sich die Problematik des Besuchs heraus: der Unterschied zwischen Prozessorientierung und einem Familienbetrieb.
„Ein Handwerksbetrieb mit zehn Mann ist nicht vergleichbar mit einer Firma mit zig Abteilungen“, macht Danzer den jungen Leuten klar. „Für uns wäre es viel zu aufwendig, ein Managementsystem regelmäßig durchzuziehen“.
Genau das wollte Professorin Anja Grothe ihren Schützlingen auch aufzeigen. Daher wählte sie für die Exkursion neben den Möbelmachern auch einige große Firmen aus der Region wie die Neumarkter Lammsbräu.
Die mussten, so Danzer, über Nachhaltigkeit als Thema im Marketing zu den entsprechenden Prozessen zum Leben der Idee im Alltag finden. Ein umgekehrter Gedanke zu den Möbelmachern: „Wir waren einfach Ökos.“
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Kleine Linksammlung zum Thema Nachhaltigkeit:
Von der Ökologie zur Nachhaltigkeit – gesellschaftliche Verantwortung bei den Möbelmachern
Bewerbung für den Nachhaltigkeitspreis der Lammsbräu – wir sind nominiert
Zum Thema Nachhaltigkeit eine Kurzvorstellung der Möbelmacher für ein Handwerksprojekt
Ikea “spioniert” bei Möbelmachern – Nachhaltigkeit zwischen zwei Welten
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