Janine Steeger war schwanger, als die Moderatorin von RTL Explosive – ein Format, das eher durch Zuschauerzahlen, als dessen Bildungsauftrag beeindruckt – das Reaktorunglück von Fukushima im Jahr 2011 im Fernsehen verfolgte. In der Folge ändert sie ihr Leben und das ihrer Familie in Richtung Nachhaltigkeit.
Ihr Buch „Going Green – Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen“ wird am 4. Februar beeindruckenderweise im Oekom-Verlag veröffentlicht. Ein Verlag, der mit seinen 30 Jahren nur wenig jünger als die Möbelmacher ist und den wir ob seiner ökologischen und nachhaltigen Ausrichtung und Konsequenz sehr schätzen. Und so erstaunte es uns auf den ersten Blick, dass ihre 175 Seiten bei Oekom erscheinen. Sie beschreibt darin ihre Wandlung von 0 bis 85 Prozent öko, die sich von der anderer Menschen auf diesem Weg nicht sehr unterscheidet, denn der Ablauf ist alten Ökos genauso bekannt wie die Probleme.
Alt bekannt ist der Weg und doch ist es bei Janine Steeger ein wenig anders, denn sie schreibt begeistert: „Weil dieses stille Vorleben so gut funktioniert, mache ich genau so weiter.“ (S.111) Ihre hoffentlich große Wirkung als Vorbild, liegt vermutlich in ihrer Bekanntheit begründet, weshalb der Verlag wohl klug gehandelt hat, obwohl ich mir vorstellen könnte, dass es über die Saulus-Paulus Geschichte unterschiedliche Meinungen gab. Sie selbst beschreibt im Buch, wie schwierig es war, in „unserer“ Nachhaltigkeitsszene Gehör und Glaubwürdigkeit zu erlangen und das ist eigentlich gar nicht so schlecht. Denn wer erlebt hat, wie viele Menschen, Organisationen und vor allem Unternehmen die „alten Ökos“ ausgelacht haben und jetzt trotzdem noch schnell auf den gewinnbringenden Nachhaltigkeitszug aufspringen, der versteht auch das Misstrauen gegenüber Quer-Schnell-Einsteigern.
Ihre entfernte Kollegin, meine Schulfreundin Christina Ringer (früher Fleischberger) hatte leider nicht persönlich mit ihr zu tun, sie fand nur bemerkenswert, dass sie eine der wenigen skandalfreien und gerüchteverschonten Moderatorinnen der RTL-Szene war. Wir vom Nachhaltigkeitsblog (seit 2005) halten ihre Erzählung über den Wandel für glaubwürdig und hoffen, dass sie als Promi der Fernsehwelt mehr bewirken kann, als die Geschichten der alt bekannten Ökos im Verlag oder der Bloggerszene.
„Was kann ich alleine schon ausrichten“ oder „Schluß mit der Ökomoral“?
Vor wenigen Wochen haben ich das Buch von Dr. Michael Kopatz vom Wuppertalinstitut hier besprochen und das hatte ich bei Janines sehr persönlichen Beschreibungen der schwierigen Entscheidungen im Hinterkopf: denn es ist nicht wirklich relevant, was bei Familie Steeger passiert, relevant sind nach Kopatz die anstehenden politischen Entscheidungen, auf die wir alle so viel Einfluss wie möglich nehmen sollten. Erleichternderweise nimmt sie selbst zu Michaels Buch auf Seite 146 und 167 Stellung und beschreibt viele seiner Vorschläge. „Wir müssen auf die Straße, um Politik zu mehr Klimaschutz zu zwingen.“(S145)
Ihre Top 4 können wir bis auf die Empfehlung der Discounter für Bioprodukte unterschreiben
Im Jahr 2010 durften wir mit Rosa Wolff kurz nach dem Erscheinen Ihres beeindruckenden Buches (hier die Besprechung: „Arm aber Bio“ Kochshows am Hauptmarkt) präsentieren. Rosa hat mit allen Rechnungen belegt, dass sie sich vom Harz IV-Satz – allerdings unter fast völligem Verzicht auf Alkohol und Fleisch – ausschließlich Bio ernähren konnte und das Essen an unserer Gästetafel war wirklich fein. Janines Empfehlungen, ihre Top 4 sind nicht neu, aber durchaus unterschreibbar:
1. Sonntagsbratenprinzip: weniger Fleisch, aber wenn, dann sorgfältig ausgewähltes aus verantwortungsvoller Tierhaltung
2. So viel Bio wie möglich
3. Weniger wegwerfen
4. Weg mit Verpackungsunsinn
Wer Bio vom Discounter empfiehlt, ignoriert den Unterschied der vielen Biosiegel und untergräbt die Arbeit der Pioniere, ohne die die großen Konzerne nie auf den Biozug aufgesprungen wären, aber gut, das sind Insiderstorys, die der Zielgruppe der Neueinsteiger sicher nicht so leicht zu vermitteln sind.
So empfehlen wir dieses Buch
Es ist nicht leicht ein Buch zu empfehlen, dessen Autorin „Kochen aber wirklich furchtbar finde(t)“ (S. 127), wir tun das trotzdem in der Hoffnung, dass sie vielleicht mal die Einladung zu einem unserer Kochworkshops erhören möge und dann gemeinsam mit unseren Kunden die Freude daran entdecken könnte.
Wir durften das Buch schon vorab als PDF-Datei ausdrucken (beidseitig auf Recyclingpapier – hihi) und lesen und empfehlen es vor allem Menschen, die gerade auf der Suche nach der eigenen Position in der Klimadebatte oder anderen ökologischen oder nachhaltigen Strategien sind. Auch für die, die Trost für eigene Inkonsequenzen suchen und das sind wir ja wohl fast alle. Es ist wirklich so: DIE perfekte Familie gibt es nicht, jede hat ihre Stärken und Schwächen und die Hoffnung und das Streben nach Verbesserung sollte die tägliche Freude am Leben nicht schmälern, denn mies gelaunte Ökomumpfeln bringen uns auch nicht weiter.
„Going Green – Warum man nicht perfekt sein muss, um das Klima zu schützen“
Und weil dieses Buch aus dem gleichen Verlag auf der gleichen Suche auch sehr hilfreich sein kann:
Dr. Michael Kopatz: Schluss mit der Ökomoral
Alle Buchbesprechungen im Nachhaltigkeitsblog
Janine Steeger bei der Sendung „Hart aber Fair“
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Gleich nach dem Instagrampost über diesen Artikel kam ihre Antwort:
janine_steeger „Vielen Dank fürs Lesen und Ihren wohlwollenden Text dazu. Übrigens empfinde auch ich es als eine große Ehre, dass der oekom Verlag mit mir arbeitet. Und das mit dem Kochen… ich weiß nicht, ob das noch was wird. Aber man soll ja niemals nie sagen. Herzliche Grüße Janine Steeger“
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