von | Aug 11, 2008

Wandern mit sanften Lamas – Fortsetzung 2

Hutanger

von Alice Niklaus

Zum zweiten Teil

Nachts ging ein kräftiges Gewitter nieder, der Morgen erwartete uns strahlend und frisch. Der Abschied von unseren Gastgebern Bec war mit etwas Wehmut vermischt. Der Fotoapparat war noch immer feucht vom Bad im Flüsschen und funktionierte nicht, der Besitzer  liess ein wenig den Kopf hängen. Der kleine Trost: meine Kamera, Nikons kleine Schwester, kam zum Einsatz. Der grosse Trost: unser Lama Cuzco stieg fröhlich neben uns zum Col de l’Espinouse auf, ich hatte das Gefühl, dass er uns mochte.

P1050735Chucho führte seine kleine Karawane gegen Westen, und somit kamen wir in den atlantischen Einfluss, was sich unmittelbar bemerkbar machte. Es begann zu regnen! Das sorgfältig von Chucho aufgedeckte Picknick auf den ausgebreiteten Lamadecken – immer mit einigen Blüten geschmückt – wurde abgebaut und die Lamas wieder bepackt.

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Wir hatten stark den Eindruck, dass ihnen dies gar nicht passte. Sie liessen sich nicht mehr mit zwei Fingern am Strick führen. – Bei Regen sieht man anders. Die Sicht in die Weite ist unterbunden und so kam der Cocon der Prozessionsraupen auf Augenhöhe in mein Blickfeld.

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Und gleich danach ein rundum strahlender Fliegenpilz. Der Wald war dicht, düster, geheimnisvoll. Ganz anders als die sonnigen Hochflächen und steilen Auf- und Abstiege in den Tagen davor. Das war wohl auch Nazca nicht geheuer. Sie schreckte auf, vielleicht ist ein Zweig gebrochen, vielleicht war es ein Tier im Wald, auf jedenfall hat sie erschreckt gespuckt. Nicht auf uns, einfach geradeaus schoss das Wasser. Ich höre heute noch den Zischton.

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Um 18 Uhr kamen wir in unserer nächsten Unterkunft, im maison forestière de Bourdil (Forsthaus) an. Einladend sah es nicht gerade aus, der Regen regnete, die Bäume regneten, das Regenwasser floss über den Waldboden der Abhänge wie Bäche, das Pippi-Häuschen (faire pippi sagt man in Frankreich zu den Kindern) war openair und floss auch davon. Die Lösung war barfuss und mässig bedeckt nach draussen zu rennen und schnellstens wieder zurück. Es war einfach umwerfend lustig! Bei 25 Grad C kein Problem.

Aber drinnen, da erwartete uns eine junge Hüttenwirtegruppe, herzlich und sorglos. Wichtig für das Zigeunerleben: es gab keine Elektrizität! Chucho versorgte wie immer zuallererst unsere Lamas. Dann umziehen, Kleider aufhängen, Schuhe stopfen, Schlafplatz belegen, es war genügend Platz da.

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Zwei rohe Gigos (Lammkeulen) waren bereit, das Feuer brannte und Glut war auch da, Chucho hing die Gigos an Schnüren auf, zwirbelte sie satt auf und liess sie sich drehen, durch das schnelle Abwickeln drehten sie sich von selbst wieder entgegengesetzt auf. So wurden die Keulen immer wieder aufgewickelt bis das Tempo kein Tempo mehr und ein neues Aufzwirbeln nötig war. – Das wäre vielleicht auch mal eine Idee beim Schaukochen der Möbelmacher!

Nun hatten wir Zeit zum lesen, zum plaudern mit den zwei GR 71-Wanderern und der Einzelgängerin, alle aus Deutschland. Die Wandergruppe von Sud-Escapade war auch angekommen, und alle waren hungrig. Das Diner war wiederum hervorragend! Bei Kerzenlicht schlüpften wir in die Schlafsäcke, Waldemar mit dem Fotoapparat, damit er trockne, bis ….. nun ja, irgendwann zwischen 24 Uhr und 3 Uhr tropfte der Regen auf uns Schlafende, was einen Umzug erforderte.

Der Morgen kam, und es regnete immer noch in Strömen.

Fortsetzung folgt

Der zweite Teil

8 Kommentare

  1. gerda münzenberg

    Liebe Frau Niklaus, schon habe ich einen Ort gefunden, wo wir uns hätten begegnen können, nämlich am Col d’Espinouse. Wir waren aber leider ein paar Jahre früher da und so haben wir uns nicht gesehen. Wir waren auch nicht romantisch mit einem Lama unterwegs und auch nicht mit einem Esel namens Modeste, sondern ganz profan mit dem Auto. Und so sind wir von da aus weitergefahren zu einem schönen, in der Nähe gelegenen Arboretum und zum Mont‘ St.Aigoual, dem höchsten Berg der Cevennen. Es ist schön und spannend, Ihren Reisebericht zu verfolgen. Ihre Gerda Münzenberg

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  2. Alice Niklaus

    Liebe Frau Münzenberg, ich freue mich über Ihre Kommentare. Der Rückblick auf die Tage rund um den col de l’espinouse ist wirklich auch für mich interessant. Die Tatsache, dass Chucho seine Karte liegen liess und wir keine gekauft hatten, zog es nach sich, dass wir nie so recht wussten, wo wir uns befanden. Allerdings hat mir dies nichts ausgemacht, was mich überraschte und eine neue, positive Erfahrung war. Es geht weiter …

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