
Stefan Rottner nach dem Einrichten des Gastraumes mit unseren Tischen und dem Guéridon mit den (angestellten) Gästen
Durch unsere Kochshows mit ebenso heimischen wie nationalen Spitzenköchinnen und -köchen sind wir seit dem Jahr 2000 mit vielen davon eng verbunden und befreundet. Auch für die Shows auf den Bühnen beim Bayerischen Rundfunk, auf den Messen und allen anderen Kochveranstaltungen legen die Gastronomen und vor allem die Servicemenschen Wert auf einen eigenen Tisch, der für viele Funktionen benutzt werden kann. Wikipedia schreibt:
Im Restaurant ist ein Guéridon ein kleiner Tisch des Kellners, der die gleiche Höhe wie der Restauranttisch hat. Das Servicepersonal benötigt den Tisch für Arbeiten, die es vor den Gästen ausführt. Der Beistelltisch ist mit einer Bestecktasche und Vorlegebesteck versehen. Bei Bedarf wird der Beistelltisch an den Tisch des Gastes gestellt. Auf ihm wird tranchiert, angerichtet, filetiert, flambiert, Speisen für den Nachservice warm gestellt, sowie der Wein serviert.
Besonders viele und humorvolle Kochshows durften wir mit Stefan bereits erleben. Als Induktion noch neu war, legte er, nicht wie andere Köche einen Geldschein, sondern sein Wertvollstes, seine Club-Dauerkarte unter den Topf, als Beweis für die Kindersicherheit. Im Gasthaus und Hotel Rottner, entstand ein Gastraum (das Küchenzimmer) mit Trüffelbuche den wir gemeinsam entwerfen und einrichten durften. Auch hier war natürlich ein Guéridon dabei.

Der kleine Tisch im Vordergrund ist der Guéridon in Trüffelbuche, den man zum Tisch des Gastes bringt und dort tranchiert oder was auch immer
Wieder einige Wochen später fragte uns seine Frau Claudia, ob wir den Guéridon aus dem anderen Gastraum mal herrichten könnten. Der war in der Tat etwas in die 58 Jahre gekommen, was man auf dem folgenden Foto erkennen kann und er wurde nur noch mit Tischdecke verwendet (die natürlich auch immer wieder gewaschen werden muss).
Also haben wir den Tisch kurzerhand mit nach Hause genommen und tags darauf gewogen und mit unserem Team die Möglichkeiten diskutiert.
So ein kleines Tischchen klingt nach Banalität, aber wie bei jedem Möbelstück machen wir uns ein paar mehr Gedanken, um danach die für unsere Kunden beste Lösungsmöglichkeit zu finden
Folgende Gedanken:
- Eine „echte“ Restaurierung des vorhandenen Gestells übersteigt schnell den Wert desselben, aber prinzipiell ist es natürlich möglich. Allerdings ist das Gestell mit 15,44 kg auch ganz schön schwer.
- Um den Guéridon möglichst leicht zu gestalten, entwickelten wir mit unserem Edelstahlpartner einen Beschlag, der auch leicht angewinkelte runde oder eckige Füße ohne schwere Zargenverbindungen direkt an der Platte befestigt. Der wäre so stabil, dass ich mich auch draufsetzen kann.
- Alternativ könnte man eine schwerere Version, die näher am Vorbild ist, auch rollbar ausrüsten.
- Sollte die Platte 4 cm stark werden sollen, würde ich die Aushöhl-Technik vorschlagen, die die Platten viel leichter macht und die wir hier für den Messebau beschrieben haben.
- Natürlich können wir Rundungen und Kantengestaltung anpassen, ich fand die starken Rundungen an den Ecken und an der Oberkante weich (die werden jetzt nach dreißig Jahren auch wieder modern). Auch die Beine könnten rund gedrechselt oder rechteckig konisch gefräst sein, und natürlich müssen sie nicht schräg sein, sondern könnten auch senkrecht stehen.
- Von unten wären in die Platte Griffmulden eingefräst, die das Vertragen angenehmer machen.
- Ich weiß nicht, ob beim Tranchieren manchmal was daneben geht, deswegen könnte eine Saftrinne um den ganzen Tisch hilfreich sein (oder nicht?).
- Um der von mir schon angesprochenen Ergonomie für große Kellner gerecht zu werden und gleichzeitig der Tradition zu gehorchen, dass der Guéridon immer auf Tischhöhe des Gastes ist, könnte ich mir auch ein Tranchierbrett mit Gratleisten darauf vorstellen. Da würden auch noch andere Dinge darunterpassen, der magnetischer Messerhalter (siehe Foto) wäre noch nett und was zum Angeben).
Unseren ersten Gedanken kann man hier sogar in 3-D anschauen:
Das erste Ergebnis
Das Problem ist, so viele Gedanken mit vielen Familienmitgliedern zügig zu einer Lösung zu bringen, deswegen haben wir erstmal eine Hauruck-Aktion mit einem Stück Elsbeere aus dem Restelager und einer sehr oberflächlichen Überarbeitung des alten Möbels vorgenommen. Das führt zum einen dazu, dass wir den in die Jahre gekommenen Tisch aus unserem Büro wegbekommen haben und ganz nebenbei haben wir uns abends auch gleich zum gar köstlichem Essen angemeldet, das machen wir ja auch sehr gerne bei Familie Rottner. Außerdem gewinnt man Zeit zum überlegen, was man mit all den andern Guéridons des Hauses machen soll.
Der erste Einsatz
Natürlich wollten wir den neuen Guéridon gleich in Aktion sehen, weil unsere bestellten Gerichte aber weder zum Tranchieren, noch zum Flambieren waren, wählte Ute die Käseplatte, die Claudia mit Chef de Rang Sandra vorbildlich präsentiert und serviert haben. Mit der Elsbeerenplatte hat dieser Tisch jetzt sogar 19 Kilo, wir sind gespannt, was die Zukunft des Gastro-Beistelltisches im Hause Rottner und auf dem Rest der Welt noch bringen wird. Schon mal herzlichen Dank für die Experimente.
Paradebeispiel für Möbelplanung
Das Problem ist also erstmal gelöst und beim nächsten Termin kann man gemeinsam weiterentwickeln. Oft ist es so, dass sich auch Privatkunden wundern, wenn wir bei kleinen Wünschen große Fragen stellen. „Was soll mit dem Raum später mal passieren, kann man diese Improvisation vielleicht in einem anderen Raum unterbringen und dafür dieses Zimmer viel wertvoller nutzen? Wir hätten zufällig etwas in der Ausstellung, was da passen könnte?“ Manchmal schadet es nicht sich einen Gedanken mehr zu machen, es wird immer gemeinsam entworfen und die Kunden entscheiden, was davon wie und wann und in welchem Budget verwirklicht wird.
Wie kam der Guéridon zu seinem Namen?
Der Begriff Guéridon für den Beistelltisch hat in der Gastronomie seinen Ursprung im französischen Sprachgebrauch und einer literarischen Figur des 17. Jahrhunderts, der Zeit des Kolonialismus, in dessen Zusammenhang man diese Figur verstehen muss. Diese Figur, ein junger schwarzer Sklave mit dem Namen Guéridon, trat in einer Komödie von 1644 auf und trug einen Kandelaber, um Tänzern Licht zu spenden. Im 17. Jahrhundert wurden Möbelstücke wie kleine Tische oft in Form eines Tabletts tragenden schwarzen Dieners gestaltet, was zur Namensgebung beitrug. Heute sollte man diese Namensgebung unbedingt kritisch sehen. Die schönen Tischchen nicht, sondern sich daran freuen und bedienen.
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Zum Gasthaus Rottner gehört auch das Sternerestaurant Waidwerk
Zu den Schneidbrettern mit Gratleiste:
Warum unsere Schneidbretter nichts mit dem Frankfurter Brett zu tun haben
Philosophischer Artikel über das Schneidbrett
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