Von Dr. Alexandra Hildebrand auf xing (zusätzlich bebildert aus dem Möbelmacherarchiv):
Der Tisch als Logbuch des Lebens
Die kultivierende Kraft des Tisches liegt in seiner nachhaltigen Wirkung: Hier kommen Menschen zusammen, essen, arbeiten, feiern, trauern oder diskutieren. Sogar Goethe schrieb: „Welch eine bunte Gemeinde! An Gottes Tisch sitzen Freund und Feinde.“ Der Tisch ist auch mit vielen Redewendungen verbunden: „vom grünen Tisch entscheiden“ gilt als Sinnbild des Bürokratismus. „Reinen Tisch machen“ bedeutet, eine Sache klarstellen. Der „Runde Tisch“ steht häufig für ein Gremium aus gleichberechtigten Partnern und Kollegialität. „Von Tisch und Bett getrennt“ entstammt der älteren Rechtssprache und bedeutet, dass ein Paar nicht mehr in ehelicher Gemeinschaft lebt. Was „unter den Tisch fällt“ wird nicht berücksichtigt oder verschleiert, „sich mit jemandem an den Tisch setzen“ bedeutet, Verhandlungen mit ihm führen und „jemanden über den Tisch ziehen“, ihn hereinlegen. Das Wort Tisch (mhd. tisch = Speisetafel, Ladent., ahd. tisc = Tisch, Schüssel, entlehnt aus lat. discus = Wurfscheibe, Lehnwort aus griech. dískos = Wurfscheibe) hatte ursprünglich die Bedeutung „flache Schüssel“. Die Wandlung zur heutigen Bedeutung ist dadurch zu erklären, dass früher bei den Mahlzeiten jede Person ihren eigenen Esstisch hatte.
Symbolisch steht der Tisch auch für die Fülle des Lebens in all seinen schönen und traurigen Ausprägungen. In seinem Lied „Questo tavolo non si vende“ besingt Reinhard Mey einen alten Tisch aus Italien, an dem sich die Familie regelmäßig versammelt.
Seine Gebrauchsspuren zeigen, dass er viel zu erzählen hat: „Das Logbuch unseres Lebens liest sich in den Kerben, spricht zu uns aus allen Fugen / An diesem Tisch vom Glück beschenkt hast du unsere Kinder gestillt / In dich gekehrt ein Lächeln, welch ein anbetungswürdiges Bild / Hier suchten wir uns zu trösten, als wir unsere Liebsten zu Grabe trugen“. Der Esstisch steht für Gemeinschaft und Geselligkeit. Der Schreibtisch ist dagegen häufig die Erweiterung der eigenen Identität.
Für Thomas Mann war er Ort einsamer Hervorbringungen, Symbol für schwer errungenes Überleben, für Erfolg und öffentliche Anerkennung, Zeuge von Niederlagen und Demütigungen, Zeitgeschichte in subjektiver Brechung. An diesem Ort samt den vertrauten Utensilien, die ihm das Gefühl von Sicherheit und Kontinuität vermittelten, versammelte der Schriftsteller seine Gedanken. Sein Mahagoni-Schreibtisch, den er Ende der zwanziger Jahre in München erworben hatte und der auch Platz „für allerlei Allotria“ bot, wurde zu einem Wegbegleiter auf den verschiedenen Stationen des Exils. Um konzentriert schreiben zu können, brauchte er seinen festen Platz und die gewohnte Ordnung. Es war für ihn undenkbar, in einem Café oder im öffentlichen Raum Texte zu schreiben, wo Tische mit anderen geteilt werden.
Tischgeschichten aus Unterkrumbach
Der Unternehmer herwig Danzer kann viele Tischgeschichten erzählen – damit verbunden ist auch das „tägliche Brot“ der Möbelmacher. 1997 entstand der Neubau in Unterkrumbach und seit Januar 2016 führen Ute und herwig Danzer die Firma gemeinsam mit dem Kernteam in neue „Einrichtungszeiten“. Viele Beiträge sind im Nachhaltigkeitsblog https://www.nachhaltigkeitsblog.de/ des Unternehmers zu finden, z.B. „Massivholztische für das AOK Bildungszentrum in Herbsruck“ oder Informationen und Anekdoten zu Esstischen oder höherverstellbaren Tischen, die den Wechsel von Stehen und Sitzen ermöglichen.
Im Jahr 2020 haben die Möbelmacher um herwig Danzer mit ihren Kunden ungewöhnlich viele höhenverstellbare Schreibtische entworfen und umgesetzt. Der Unternehmer schwört seit Jahren bei der Herstellung von höhenverstellbaren Schreibtischen auf die Technik des dänischen Herstellers Linak.
„Bislang hatten die Schreibtische einen Unterrahmen aus Metall und eine massive Tischplatte. Dann wollte eine Kundin einen Schreibtisch, bei dem Kufen und die Verkleidung der Säulen ebenso aus Holz sind. Damit sich Nachhaltigkeit und Ergonomie nicht ausschließen, lässt sich der Schreibtisch aus massiver Buche für eine Yogapraxis per Knopfdruck in der Höhe verstellen“, so herwig Danzer. Steuerung und Kabel liegen hinter einer Holzleiste, die unter der Tischplatte angebracht ist.
Mit dem Tisch sind nicht nur unzählige Geschichten, sondern auch eine lange Geschichte verbunden
Sie beginnt mit der Sesshaftwerdung und der Erfindung des Hauses. Er entstand zusammen mit dem Stuhl aus dem Opferstein. Die Christen setzen den Opferbrauch fort. Im Christentum wird der Altar als „Tisch des Herrn“ bezeichnet, „zum Tisch des Herrn gehen“ heißt am Abendmahl teilnehmen. Seit dem 6. Jh. entstand im Abendland in Verbindung mit dem Märtyrergrab der feststehende steinerne Altar, im Orient wurde die eigentliche Tischform beibehalten. Auch Mythen und das königliche Hofleben setzen die Funktion des Tisches als Basis für die Opfergaben fort (Artussage). Um 1500 wurden in Europa Tisch und Stuhl zu einer“ kompakten Disziplinierungs-Einheit“ verbunden, sagt der Historiker und Buchautor Hajo Eickhoff, der sich ausführlich mit der Kulturgeschichte des Tisches beschäftigt hat und darauf verweist, dass es ohne den Tisch keine moderne Welt gibt: Mit dem Aufstieg des Bürgertums zur wirtschaftlich und politisch herrschenden Klasse wird der Tisch zur maßgebenden Ordnungseinheit.
Durch den Stuhl übernimmt sie die Herrschaftsgeste des Thronens am Tisch. In der Renaissance drängte alles an die Oberfläche und bahnte sich einen Weg zu den Menschen in Europa (Kartographie, Reformation, Buchdruck, heliozentrisches Weltbild, Mathematik). Das Bürgertum entwickelte damals die vier Tischtypen: Wangen-, Bock-, Zargen- und Säulentisch. Zudem wurden neue Werkzeuge erfunden, es entstanden neue Berufe, und der Schriftverkehr wuchs. Damit verbunden waren neue Auf- und Ablageflächen (Bürotische).
Bis 1700 fand das bürgerliche Wohnen am Herd in der Küche statt. Die Verlagerung vom Herd an den Esstisch geht einher mit einer Veränderung der Körperhaltung vom Stehen und Hocken zum Sitzen auf Stühlen. Um 1800 werden alle Lebensräume mit Tischen ausgestattet. In Weimar kann das Arbeitszimmer von Friedrich Schiller besichtigt werden. Sein Schreibtisch steht neben einem Bett. In unmittelbarer Nähe befindet sich Goethes Wohnhaus mit dem Arbeitszimmer des Meisters. In der Mitte des Raumes steht ein einfacher Tisch, an dem nicht er, sondern sein Schreiber saß, dem Goethe im Gehen diktierte. Dazu gehörten auch die Worte von Mephistopheles:
„Der Wein ist saftig, Holz die Reben, / Der hölzerne Tisch kann Wein auch geben. / Ein tiefer Blick in die Natur! / Hier ist ein Wunder glaubet nur! / Nun zieht die Pfropfen und genießt.“
Ein Hoch auf die Tischkultur!
Weiterführende Informationen:
- herwig Danzer: Höhenverstellbarer Schreibtische aus Massivholz mit LINAK-Technik: ergonomisches Arbeiten auf höherem Niveau
- herwig Danzer: Was kostet der Couchtisch aus Massivholz?
- Hajo Eickhoff: Die Geschichte des Tisches
- Alexandra Hildebrandt: Ordnung und Nachhaltigkeit: Der Schreibtisch als Kraftzentrum zwischen Leben und Arbeit
- Alexandra Hildebrandt: Kehrt das Arbeitszimmer im 21. Jahrhundert zurück?
- Warum unsere Wege in die Neue Welt über die Renaissance führen
- Inge Jens: Am Schreibtisch. Thomas Mann und seine Welt. Rowohlt Verlag Hamburg 2013.
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