Unsere letzte Tagung mit der ProNaturaInsiderCrew („Premiumpartner“ heißen sie offiziell) ereignete sich im Juli 2019 in Waidhofen an der Ybbs (zu der es lustige Geschichten im Blogbeitrag gibt), jetzt waren wir wieder am Attersee (wie schon 2017), weil wir die einmalige Chance hatten, das Werk von Lenzing in Lenzing zu besichtigen. Wir haben uns riesig gefreut, dass Gerhard Ausserhuber nach einem schwer zu erklärenden Intermezzo bei einem Betrieb für Haushaltswaren wieder im ProNatura-Team ist.
Wir sind ja schon am Donnerstag am Attersee angereist, weil wir auf der Küchenwohntrendsmesse in Salzburg – unserer ersten Messe nach Corona – viel Zeit einplanten und nicht mitten in der Nacht aufstehen wollten. Aus diesem Alter sind wir raus. (Die ausführliche Geschichte von der Messe ist hier nachzulesen.)
Start der Partnertagung auf der Salzburger Messe Küchenwohntrends
Pünktlich um 16 Uhr fand ich mich am Stand von Joka und ProNatura ein, auf dem meine Frau Ute schon seit zwei Stunden verweilte, weil wir die wichtigsten Messetermine schon abgehakt hatten und ich mich alleine noch auf der Suche nach Neuigkeiten machte (von denen ich auch einige entdeckte). Nach langer Zeit waren die theatralischen Begrüßungen abgearbeitet und die Teilnehmer trafen sich wie die Pinguine zur fast rührseligen Tagungseröffnung durch den heimgekehrten Gerhard und Chefin Anna Kapsamer.
Nach Besichtigung aller Neuigkeiten verließen wir die Runde, um schnell zum Hotel Föttiger zurückzukehren, das wir auch in diesem Jahr in ganz besonders positiver Erinnerung behalten werden. Wir durften trotz des Ruhetags schon am Donnerstag anreisen und alleine im Hotel übernachten. Wir konnten drei Tage lang von den Reinigungsdamen (das waren die einzigen, die am Ruhetag mit uns im Hotel waren) bis zum Inhaberpaar ein aufmerksames und freundliches Team erleben und der Standort am Attersee hat zusätzlich auch seinen Reiz, auch wenn wir in diesem europäischen Tauchzentrum nichts getaucht haben. Die beiden jungen Damen, die sich um den Service unsere Gruppe kümmerten, waren kompetent, sympathisch und fanden für jedes Problemchen eine schnelle Lösung. Die ganze ProNaturatruppe hat sich dort sehr wohl gefühlt und besonders die Fleischesser haben köstlich geschlemmt, für die Vegetarier war es o.k..
Mitten in der Nacht um 8 Uhr 30 Abfahrt nach und zu Lenzing
Die ganze Truppe war superpünktlich am Gelände von Lenzing, einer Firma, die so groß ist, wie eine Kleinstadt. Bis heute weiß man nicht, ob den Namen Lenzing eher das dortige, zuerst ansässige Sägewerk, oder die Stadt trug, es ist aber auch egal, weil es sich nicht trennen lässt. Die Stadt Lenzing ist auch die Firma Lenzing. Durch die engagierte Doris Scharmüller (Business Management Home & Interior bei Lenzing Group) war es uns ausnahmsweise möglich, die Halle der Lyocel-Fertigung von unten bis oben zu besichtigen und das war wirklich ein Erlebnis. Um eine Vorstellung von der Werksgröße zu bekommen habe ich unseren Treffpunkt und die Halle markiert, die wir besuchen durften:
Zunächst mal ist das ein Hochsicherheitstrakt, weil die Firma als Marktführer für ökologische Fließ- und Web-Produkte schon übelste Fälle von Betriebsspionage erlebt hat. Sie machen aber auch aus den Sicherheitsvorschriften ein mittleres Gedöns, das schwer einzuschätzen ist. Klar, wir dürfen nicht mit weniger Ausrüstung in die Hallen, als das die Mitarbeiter tun, aber es hat uns schon beschäftigt. Während unsere Damen sich mühsam die Perlen aus den Ohren pulten, eine war sogar besorgt ob ihrer Teilnahme, weil sie den Ehering nicht mehr vom Finger bringt, trugen die uns begleitenden Frauen zwar Helm, Weste und Schutzbrille, aber auch Kreolen, in denen ein Wellensittich gerne geschaukelt hätte.
Das volle Sicherheitsprogramm, leider funktionierten die Funkstrecken nicht, doch es ging es auch so.
Aber egal, man muss sich vorstellen, dass sich für uns rund 30 Teilnehmer (was normalerweise gar nicht geht!) am Samstag Morgen um 9 Uhr locker 6 Menschen von 9 bis 13 Uhr engagierten. Die 6-stöckige Halle, in der wir die Produktion von Tencel besichtigen konnten, wirft am Tag Rohmaterialien für die Textilindustrie im Wert von rund 2 Millionen Euro aus. An sieben Tagen in der Woche, 24 Stunden, denn so eine Kiste kann man nicht schnell mal abschalten.
Im fünften Stück der Halle sind die Büros und dort hielt einer der Ingenieure einen flammenden Vortrag über die CO2-Bilanz, Umweltverträglichkeit und Kompostierbarkeit von Tencel. Sie läge deutlich über der Baumwolle und sogar noch ein wenig über der Biobaumwolle. Nunja, ein reines Naturmaterial hat schon auch Vorteile, aber auch wir müssen unsere Grundeinstellungen von annodazumal regelmäßig prüfen, ob sie wissenschaftlichen Argumenten noch standhalten, oder halt „nur“ unserem Gefühl entsprechen. Jedenfalls entsteht die Faser Tencel in einem rein physikalischen Prozess (einem zugegeben sehr aufwändigen), aber das ist der große Vorteil zu chemisch hergestelltem Stoffen, wie zum Beispiel Polyester.
Doris Scharmüller hatte neben einigen Testergebnissen (die wie so oft unter den niedrigen Propandenzahlen leiden) auch praktisches vorbereitet. So demonstrierte sie mit gefärbten Waser die unterschiedliche Aufnahme von Baumwolle, Polyester und Tencel und das war in der Tat beeindruckend. Auch die schwierigen Markenbezeichnung, geschützt oder ungeschützt spielen im Marketing eine große Rolle. Aber vermutlich gibt es keine besser Werbung, als solche Führungen, viele Tencelskeptiker haben jetzt einen andern Blick auf das Produkt. Seit vielen Jahren nutzen wir diese Materialien bei ProNatura um waschbare Zudecken, Matratzenbezüge, Bettauflagen und Kissen anbieten zu können. Wer also glaubt, dass er unbedingt waschen muss (bei Schurwolle muss das aufgrund der Selbstreinigungskräfte der Naturfaser nicht sein), oder wer aus Allergiegründen dazu gezwungen ist, hat mit Tencel sicher das perfekt Produkt.
Wir Möbelmacher haben einen kleinen Betrieb mit 15 Leuten, Anna Kapsamer hat nach unserem Gefühl mit Joka schon einen großen mit 135 Menschen, aber für Lenzing arbeiten 7000 Menschen, das sind schon Maßstäbe.
Zu spät zum Mittagessen
Das ist nicht schön, wenn die Gäste zum vereinbarten Zeitpunkt noch nicht da sind, aber wie immer hatte das Hotelteam auch das professionell gelöst und so konnten wir nach dem Essen, endlich mit dem eigentlichen Tagen beginnen. Gleich nach dem Einstieg mit den Ergebnissen der letzten Tagungen lauschten wir zwei externen Referenten, die unterschiedlicher nicht sein konnten.
Externe Referenten: Harald Puchegger
In der über 30-jährigen ProNatura-Tagungstradition durften wir spannende Referenten erleben, von Barbara Brütting über den Mann mit Mond Erwin Thoma bis zu den MEMO-Gründern, die sogar am ganzen Seminar teilnahmen. In Salzburg hatten wir 2013 schon mal einen Referenten in der Pause gebeten gleich aufzuhören, „auf dass wir das schöne Wetter auf der Terrasse gemeinsam genießen können“ (Erich Hölzl). In diesem Jahr war der erste Input von Außen ein Agenturinhaber, der – wer hätte es gedacht – über Aktivitäten auf Facebook (und nur dort) erzählte.
Was er sagte, war nicht falsch, aber wenn der Inhaber der Agentur über Aktionen spricht, die er für die Anwesenden via Facebook schon abgewickelt hat, wären konkrete Zahlen und Auswertungen hilfreich gewesen, nicht das allgemeine „Facebook ist toll, wenn man es wie wir bedienen kann“ und vor allem nicht im Sitzenbleiben und Vorsichhinbrummeln in den Bildschirm des Notebooks. Wir kämpften trotz des spannenden Themas mit dem Schlaf, die Kompetenz des Referenten verpuffte im bezugslosen Internetgeplauder. Vielleicht hätte man in den Vorgesprächen etwas genauer definieren sollen, dass den Zuhörern die Facebookexistenz durchaus bereits bekannt ist (wenn auch sehr unterschiedlich), sie haben nämlich einen nicht unerheblichen Betrag in die gemeinschaftlichen Werbeaktionen investiert. Den Sinn des Investments zu begründen, war die leider unerfüllte Aufgabe. Mit unserem jährlichen Beitrag zur Finanzierung der ProNatura-Facebook-Kampagne unterlaufen wir sogar unseren eigenen Facebook-Werbeboykott seit August 2018.
Wir benutzen Facebook mit ungutem Gefühl immernoch als Linkschleuder für neue Seiten auf der Homepage oder neue Blogbeiträge im Nachhaltigkeitsblog, aber wir wir schalten dort keine Werbung. Es ist das Geld unserer Kunden, das wir nur in Projekte stecken wollen, die die Menschheit weiterbringen und ihr nicht schaden – wie das Facebook nicht erst seit den Enthüllungen von Whistleblowerin Frances Haugen offensichtlich sehr bewusst mit dem Ziel der Gewinnmaximierung tut.
Externer Referent: Andreas Schwantner, MBA Medienprofi (Master of Business Administration)
Der nächste Referent war das genau Gegenteil des ersten: Er war 20 Jahre bei der Kronenzeitung, er hüpfte herum, sprach laut, kam durchaus sympathisch und humorvoll rüber, allein: sein lebhafter Vortrag zum Thema „Generation Digital Normal!“ entbehrte des Inhalts. Mit einer Schrift, die an meine eigene in Sachen Unästhetik durchaus rankommt, zeichnete er ein WWW auf die Flipchart. Im Untertitel seines Vortragsthemas „Generation digital Normal“ stand „Erfolgsfaktor: Neues einfach annehmen“. Sein persönliches WWW erklärte er als Lösung aller Zukunftsprobleme mit „Wagemut, Weitblick und Wissensdurst (wenn ich es richtig im Gedächtnis habe)“, was ja nicht falsch sein muss, aber Anekdoten von Steve Jobs und Auflagenzahlen der Zeitungen bringen in dieser Thematik nicht wirklich weiter. Und bei aller Fortschrittsgläubigkeit: es gibt auch Beispiele von erfolgreichen Unternehmern, die deshalb erfolgreich blieben, weil sie nicht jeden neuen Scheiß mitmachten. Wie zum Beispiel der Zeitverlag, der dank Qualitätsjournalismus seine Auflagen und Mitarbeiterzahlen erhöht. Es lässt sich eben nicht alles mit drei Buchstaben erklären. Fairerweise muss man zugeben, dass wir aufgrund des Lenzing-Ingenieurs am Morgen auch am Nachmittag immernoch 30 Minuten hintendran waren, um die hat er anscheinend seinen Vortrag gekürzt, denn nach 20 Minuten bedankte er sich auch beim sichtlich entsetzten Organisator für die Einladung und Aufmerksamkeit. Der verdonnerte ihn zwar noch zu weiterführenden Diskussionen, die sich leider wie die ganze Aktion auf dem Niveau seiner ehemaligen Zeitung bewegte.
Vorschlag, wie wir in der Zukunft externe Referenten finden sollten:
a: Einer von uns – besser viele – hat sie oder ihn persönlich gehört und als gut empfunden! Wir vertrauen nicht mehr auf Referenzen und Versprechungen auf einer Homepage, wir brauchen keine hochbezahlten aber zeitstehlende Dampfplauderer, Motivationsgurus oder Wasweißichconsultants!
b: sollte a keine Lösungen bringen, verzichten wir einfach auf externe Referenten, sparen richtig viel Geld und diskutieren mit Fachleuten aus den eigenen Reihen (von Joka, Pro Natura oder deren Händlern), wie zum Beispiel Georg Niebler, der konkrete Zahlen der Onlinewerbung auswendig kennt. Zwar als reiner Händler auf anderer Ebene, als wir Schreinereien mit der „Selbermachneurose“, aber dafür mit ehrlichen Erfahrungen von jemand, der unserer ProNaturafamilie nix verkaufen muss. Das wertvollste, was wir bei so einer Tagung einsetzen, ist unsere Zeit. Die darf beim gemeinsamen Diskutieren unter Premiumpartnern schon mal – kurz – überbeansprucht werden, aber für überflüssige Referenten haben wir keine Geduld.
Der Sonntag mit neuen Ideen
Nach einem wunderbaren Abendessen und einem schönen Ausklang mit vielen Fach- aber auch ganz privaten Diskussionen, gab es am Sonntag wieder ein grandioses Frühstück.
Gleich um neun ging es weiter, denn viele Ideen und Strategien wollten mit den Premiumhändlern abgestimmt werden.
Bei den neuen Ideen, über die wir nach außen noch nicht sprechen, ging es viel um Kissen, von denen wir nach meinem Gefühl schon genug haben. Aber gut, wir sollen ja innovativ sein. Raffinierte Methoden zur Mottenbekämpfung und die Beschwerde, dass die neue Preisliste stinkt (bedruckt mit Pflanzenfarben), beschäftigten uns außerdem. Mein Hinweis, dass die Preisliste damit zu den unregionalen Zirbenbetten passt, die riechen ja auch sehr unangenehm, kam wie immer sehr schlecht an (mehr dazu).
Später ging es dann aber wirklich wieder um die ProNatura-Kernkompetenz und die liegt nunmal in den ergonomischen Bettsystemen. Tags zuvor haben wir bei den Sicherheitskontrollen von Lenzing schon oft übers Gefängnis gesprochen, jetzt hatten wir sogar ein Bett daraus zur Präsentation (o.k., es ist supergut geeignet, weil man von allen Seite das Bettsystem gut sehen kann). Da könnte es es im niedrigen Preissegment tatsächlich interessante Erneuerungen geben. Alle Gewichtsklassen mussten Probeliegen und ihre Meinung kund tun. Genau das ist der wichtigste Zweck solcher Tagungen: Ganz lieben Dank an alle Beteiligten und auf eine weiterhin wunderbare Zusammenarbeit mit dem „Dreamteam für gesunden Schlaf.“
PS: Das nächste Mal muss es wieder eine Vorstellungs- und Feedbackrunde geben.
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Lieber Herwig,
danke für den gewohnt tollen Bericht!
Was die Auswahl eines Referenten betrifft, so sind die Vorschläge a) & b) genau das, was ich mir an diesem Abend auch dachte!
In der Kürze der Vorbereitungszeit und mit dem Bedürfnis etwas Besonderes zu bieten……
Es geht besser 🙂
lg Gerhard
Das freut mich Gerhard und wir hatten ja Glück, es hat nicht sooo lange gedauert. Es waren tolle Tage!
Lieber Herwig, herzlichen dank für deinen lebendigen, guten Bericht unserer Pro Natura Insidercrew – wie du so schön geschrieben hast. Grad habe ich die lehrreichen Tage und das gesellige austauschen noch einmal erlebt! Über die Vorträge der externen Redner bin ich ganz deiner Meinung. Kämpfte ich doch beim ersten Vortrag so ziemlich erfolglos gegen meinen „Augenschletzer“ (das ist wohl ein recht undeutsches Wort) , so konnte ich beim zweiten Vortrag nichts profitieren.
Du hast es auf den Punkt gebracht. Voneinander können wir wohl mehr lernen.
Auf viele weitere Zusammenkünfte und deren Berichte! Liebe Grüsse aus der Schweiz Brigitte