Der Markt Victor Hugo in Montrouge
Unser Markt in Hersbruck mit den Direktvermarktern ist ein Segen für die Stadt, aber andere Städte haben auch schöne Märkte. Super praktisch ist ein Markt natürlich am Sonntag, so kann man den ganzen Tag dem Kochen und Genießen widmen. In der Kleinstadt Montrouge, direkt neben Paris heißt so einer Victor Hugo und da kommen nicht nur Fischliebhaber ins Schwärmen.
Austern mit dem Taschenmesser öffnen
Mann neigt bei einem so attraktiven Angebot etwas zum Übertreiben, also mussten wir gleich mittags erstmal die Austern essen, die sich mangels Austernmesser auch mit dem Schweizer Offiziersmesser öffnen lassen. Am besten geht das damit in zwei Arbeitsschritten: zunächst mit dem Flaschenöffner öffnen und dann mit dem ausgeklappten Messer den Deckel wegschneiden. Seitdem ich 7 Jahr alt bin, habe ich IMMER ein Taschenmesser einstecken, ein paar Monate später hat es sich jetzt mal wieder bewährt.
Jakobsmuscheln mit Schale kaufen
Die Jakobsmuscheln, zu denen mich ein guter Verkäufer dann doch noch überredete, wurden spontan als zusätzlicher Gang dem Abendessen zugeordnet, mussten aber gleich mittags aus der Schale genommen werden, weil sie sonst im Kühlschrank keinen Platz mehr gehabt hätten.
Im marktschreierisch (!) beworbenen Sonderangebot hätte ich für 3 Kilo 15 Euro bezahlt, aber weil mir das zu viel Muscheln waren, nahm ich zwei Kilo und zahlte entgegen meiner naiven Rechnung nicht 10, sondern 14 Euro. Unsere Tochter Laura meinte, das wäre logisch und ich hätte halt von Sonderangeboten keine Ahnung?
Die Jakobsmuscheln macht man mit einem normalen Besteckmesser auf und sortiert dann Muskelfleisch und Corail (Rogen) mit den Fingern aus. Hier ist eine ganz gute Anleitung, falls jemand unsicher ist, es lohnt sich immer, die ganze Muschel zu nehmen. Ein paar Schalen haben wir gewaschen und zum Anrichten aufgehoben, zuhause könnte man sie im Druckdampfgarer super auskochen, dann kann man sie ewig verwenden.
Gute Verkäufer auch am Gemüsestand
Kein Mensch dachte an Mangos, aber die Stücke, die man uns zum Probieren reichte, waren soooo gut – war ja klar. Und dann entdeckten wir noch Riesenartischocken aus der Provence – wo unsere Verwandtschaft lebt – die mussten natürlich auch noch mit. Und Tomaten und Avocados und Käse und so schöne Zwiebeln.
Seeteufel leider ohne Kopf
Beim letzten Parisbesuch entschieden wir uns für den Knurrhahn, diesmal lachten uns die Seeteufel an (also bildlich gesprochen, weil das ohne Kopf nicht so einfach ist), die in Frankreich und Deutschland auch Lotte heißen an. Sie bestehen fast zur Hälfte aus Kopf, der allerdings nicht dabei war, was für den Fischfond zwar schade war, das Filetieren aber etwas erleichterte. Das ging auch mit einem frisch geschärften Messer von Ikea gut, wir empfehlen dazu normalerweise das flexible Messer von Felix.
Mittags Austern mit Merguez, danach durchgekocht
Die Austern waren schon offen und bildeten mit köstlichem Schaumwein die Vorspeise, die vom Freitag übrigen Merguez-Würste wurden schnell noch gegrillt und nach dem Essen fuhren die Mädels in die Stadt, er kümmerte sich um den Garten und ich blieb in der Küche mit dem Seeteufel alleine.
Weil der neun Häute hat, ist er nicht so ganz leicht zu filetieren (deswegen wird er auch die „Zwiebel der Meere“ genannt), aber aus den Karkassen wollte ich ja unbedingt auch ohne Druckdampfgarer den Fond machen, was mir gelang, angeblich so gut, dass empfindliche Nasen auch drei Tage später noch Fisch rochen – wir empfehlen die Dunstabzüge von Gutmann.
Sous Vide Garen ohne Geräte improvisiert
Nunja, an dieser Stelle loben wir sonst die Vakuumierer und Thermalisierer von Komet, die aber just einfach nicht vorhanden waren, weshalb wir – nach einem Tipp aus dem Buch „Sous Vide“ von Susann Kreihe welches wir hier vorstellten – den Fisch im Spülbecken „vakuumiert“ haben und im Topf am Induktionskochfeld garten.
Dazu braucht man viel Wasser im Becken und einen großen Beutel. Den Seeteuefel drückt man so weit es geht nach unten und verschließt den Beutel. Ist natürlich kein echtes Vakuum, aber es ist auch nicht mehr so viel Luft im Beutel, wie vorher, dafür sorgt der Wasserdruck.
Das Enthäuten der Tomaten für die Soße machen wir sonst in einer Minute im Druckdampfgarer, es geht aber auch im Topf ganz gut, danach in kaltem Wasser abschrecken und die Haut einfach abziehen. Mit dem von den Mädels in der Stadt extra neu gekauften Digitalthermometer (gibt es etwas schicker auch von Rösle) haben wir dann die Wassertemperatur am Induktionskochfeld auf naja ganz grob 60 Grad gehalten. Das war anfänglich etwas mühsam, aber es ging dann ganz gut.
O.k., es war nicht perfekt, aber wie Susann in ihrem Kochbuch schreibt: es ist ein guter Einstieg und es hätte deutlich besser funktioniert, wenn man den Seeteufel nach 30 Minuten gekühlt hätte und zun Servierzeitpunkt nur noch kurz angebraten. Da der Servierzeitpunkt in Frankreich aber nie so genau vorauszusagen ist, war er bei uns schon nicht mehr glasig, aber nach dem Anbraten nicht minder köstlich. So war dann die Speisefolge:
Erster Gang nach dem Aperitif: gekochte Artischocken
Erstmal gab es die Artischocken, die so groß wie Handbälle waren, weshalb wir Antoines edlen Le Creuset Bräter dazu missbrauchen mussten. Wir haben ihn mit der unserer französischen Familien-Vinaigrette serviert. Das Rezept dazu ist hier zu finden.
Zweiter Gang: Jakobsmuscheln mit Corai gebraten mit Avokado-Petersilien-Creme
Es gibt auch ein Leben ohne Tepan Yaki und auch in der beschichtetten Pfanne haben wir die Jakobsmuscheln mit viel Butter köstlich angebraten. Selbst das bei uns in Deutschland eher verpönte Corail wurde von allen begeistert gegessen. Die Avocado-Petersiliencreme kommen auch noch Zitronensaft, Knoblauch und Milch und man kann sie auch als Brotaufstrich verwenden. Denn die Jacobsmuscheln brauchen das Gedöns eigentlich nicht, die schmecken einfach so (aber ich musste unbedingt Laura neue Maschine ausprobieren).
Dritter Gang: Seeteufel sous vide gegart mit Reis und Tomatensoße aus dem Fischfond
Zum kräftigen Geschmack des Seeteufels passen auch schwerere Soßen, weshalb wir 4 große Tomaten mit Knoblauch, Oliven und vielen Zwiebeln ansetzten und parallel dazu den Fischfond mit allen Gemüse- und Fischresten einige Stunden köcheln ließen. Weil von allem genug da war, konnten wir einige Stunden später sogar der Nachbarschaft noch etwas anbieten. Der Reis kam aus dem kleinen Reiskocher der in diesem Fall den Dampfgarer vollwertig ersetzte.
Nachtisch: Milchreis mit Mango
Jene schon erwähnte köstliche Mango servierte Ute danach auf dem zum Milchreis veredelten Reis aus dem Reiskocher mit ein wenig Zimt.
Wieder was gelernt
Von der Abfahrt zum Markt um 10:30 bis zum letzten Gast gegen 22 Uhr konnte man sich also durchgängig mit Kochen und Genießen beschäftigen, eine Art Therapie für Leute, die sonst immer nur vorm Rechner sitzen. Aber es hatte auch eine Reihe von Lerneffekten, wie zum Beispiel den Kartoffelchips aus der beschichteten Pfanne statt vom Tepan Yaki, dem Sous Vide Garen ohne Vakuumierer und Thermalisierer und dem Fischfond aus dem Topf statt aus dem Druckdampfgarer. Alles seit Jahrzehnten nicht mehr gemacht und jetzt weiß man dann wieder die Ausstattung der eigenen Küche zu schätzen. Beim nächsten Kochworkshop kann ich die immer wiederkehrende Frage „Geht das auch, wenn man keinen Tepan Yaki, Dampfgarer oder Thermalisierer hat?“ viel kompetenter beantworten: „Im Prinzip ja, aber … “
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- Wer Interesse an Kochworkshops hat, kann sich hier informieren und uns dasselbe berichten, dann laden wir zum nächsten wieder ein.
- Alle Artikel über Paris sind hier zu finden.
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